Es ging nicht mehr. Es rauschte weiterhin in KleineBlumes Ohren und es rumpelte heftig in ihrem Blumenmagen. Ihre Augen tränten und ihre natürlich gelbe Gesichtsfarbe war einem ungesunden Grün gewichen. Die kleine Pflanze raste in einem Affentempo durch das Tipi, auf die indianische Bio-Kompost-Toilette zu, die außen am Zelt angebracht, aber von innen zugänglich war. KleineBlume hatte dieses Mal keinen Sinn dafür übrig, sich über „Bio-Kompost“ aufzuregen, sondern rollerte mit verschleiertem Blick auf die Rampe an der Toilette zu. Sie fuhr schief auf und stieß sich den Stängel, in dem es sowieso so furchtbar brodelte.
Schluchzend glitt sie die Rampe wieder rückwärts herunter, rutschte nach vorne weg und blieb weinend liegen. „Ich hab so Baaauchweh!“, wimmerte sie.
Indianerin fand KleineBlume auf dem Boden. Unter ihr hatte sich ein Tränensee gebildet und sie hatte ihr Abendessen von sich gegeben. Die heilkundige Frau stellte das Häufchen Elend auf die Rollen. Es zitterte von der Blüte bis zum Töpfchen und hatte sich auch noch ein wenig beschmutzt. Indianerin packte die Kleine in ein Handtuch, hob sie vorsichtig hoch und trug sie zum Waschbecken.
Vorsichtig wurde KleineBlume abgebraust und wieder in ein sauberes Handtuch gehüllt. Indianerin trug sie zurück in das Tipi, bevor sie sich daran machte, in der Toilette „klar Schiff“ zu machen.
„Ich sollte mal die Vorratsgläser beschriften“, murmelte sie beim Putzen vor sich hin.
Sonnensprösschen schaute bedrückt zu ihrer Mutter hinüber, die in das Handtuch eingemummelt auf einem Stuhlkissen thronte.
„Wieda bessa?“ fragte sie schüchtern.
KleineBlume antwortete nicht. Sie hatte die Augen geschlossen und schluckte.
„Oh je“, machte Sonnensprösschen. Sie guckte unglücklich drein und so schaute sie noch, als Indianerin wieder in das Tipi zurückgekehrt war.
„Ich schätze, das wird heute nichts mit dem Spieleabend“, mutmaßte diese. „Soll ich dir einen Tee machen, KleineBlume?“
KleineBlume öffnete ein Auge. „Hast du den selbst gesammelt?“ krächzte sie hervor.
„Ich habe auch noch Beutel und er ist blütenpflanzenfrei“, beruhigte die heilkundige Frau ihre Freundin und machte sich daran, Tee aufzuschütten.
„Na gut“, flüsterte die Patientin und ließ es zu, dass Sonnensprösschen ihr - nachdem Indianerin die Kleine hochgehoben hatte - ihren Plüschteddy an die Seite setzte - als Trost sozusagen.
Indianerin setzte einen Kessel Wasser auf und hoffte nach all der Aufregung auf einen ruhigen Restabend.
In diesem Moment platzte die königliche Hoheit Myjonda in das Zelt hinein - mit einer deutlichen Alkoholfahne.
„Wie weit bist du mit meinem Bikini?“, lallte sie und kicherte albern, als sie die blassgesichtige KleineBlume neben dem Plüschteddy stehen sah. „Wie Schwi.. Schwillinge, die beiden!“ Ihro Majestät gluckste.
„Dein Bikini? Mein Bikini! Für den Sonnentanz…“ Indianerin seufzte. Sie konnte und wollte sich die Regentin nicht im Bikini vorstellen. Und wieso war diese um Himmels willen betrunken? Hatte sie etwa doch noch einen Tequila-Vorrat aufgetan?
Indianerin fühlte, wie dumpfe Kopfschmerzen von ihrem Nacken her aufstiegen. Sie hatte nun wirklich keine Lust, sich auch noch um eine betüterte Myjonda zu kümmern. Sie seufzte abermals, wandte sich vom Herdfeuer ab und griff zu ihrem altbewährten Steppen-Telefon. Sie wählte den Palast an, nach jeder gewählten Nummer lösten sich in gewohnter Weise schwarze Rauchwölkchen vom Telefon und schwebten zur Öffnung an der Tipi-Decke.
Myjonda versuchte, ihnen mit ihrem Blick zu folgen und schwankte dabei unsicher hin und her.
Neue Reizwörter:
ausstechen, Hobbyastrologe, Stadtrundgang, rosafarbene Kanne
|