Die heilkundige Frau eilte zu Tante Klärchen, so schnell sie die Mokassins trugen. Schließlich kam sie erschöpft und außer Atem bei ihrer guten alten Bekannten an.
Klärchen hatte für ihren neuen Besuch gerade frischen Tee aufgesetzt, als sich die Tür des Gästezimmers öffnete. Zwei rosafarbene Plüschpantoffeln kamen zum Vorschein, dann schob sich der Rest von Myjonda in Indianerins Blickfeld.
Ihro Hoheit schnupperte: "Oh, hallo Indi! Gibt es Tee?" Sie ließ sich auf einen von Tante Klärchens Wohnzimmerstühlen fallen, der ein bedenkliches Knarren hören ließ.
"Hallo Myjonda", begrüßte die Angesprochene sie. "Ich habe dir etwas Kleidung und das hier mitgebracht..." Indianerin zog ein Papier aus ihrem Rucksack und streckte es der Königin entgegen.
Flüchtig betrachtete Myjonda das Papier, während sie das vierte Stück Kandis in ihre Teetasse gab. "Hm, sieht aus wie ein Versicherungsschein. Was soll ich denn mit deiner Hausratversicherung?"
"Oh, damit wollte ich... das ist wegen des Schadens am Tipi, aber... Hmmm, wo ist denn die Vollmacht?" Indianerin steckte den Versicherungsschein zurück in ihren Lederrucksack und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Tante Klärchen Myjondas Kandis wieder in die Teedose gleiten ließ. Bevor Ihro Majestät zu beleidigtem Protest ansetzen konnte, gebot Klärchen streng: "Nein, der Tee wird jetzt so getrunken!"
Schließlich hatte Indianerin das Schreiben gefunden: "Hier, das musst du unterschreiben und dann muss es ab zum Notar, dann bist du wieder Regentin!" Sie händigte Myjonda das Papier aus, die sich das Dokument zu Indianerins Erstaunen gründlich durchlas, während sie an ihrem aromatisch duftenden Tee nippte.
"Gut", sagte die Königin nach einer Weile. Klärchen holte wiederum ihr altmodisches Tintenfaß und ihren Füllfederhalter hervor, dann wurde die Vollmacht auf den Weg zum Notar gebracht.
"Wir müssen auch noch die Polizei und die Presse informieren", seufzte die Regentin. Hastig trank sie ihren Tee aus und verschwand mit einem "Brrr, bitter!" und dem von Indianerin mitgebrachten Kleiderpaket im Gästezimmer.
Es dauerte nicht lange und ein Kreischen ertönte: "Indiii! Was ist das denn für ein Auslaufmodell?" Die Tür des Gästezimmers sprang auf. Ihro Hoheits Körper steckte in einem geflickten Ein-Mann-Zelt aus abgenutztem Büffelleder.
Verlegen zuckte Indianerin die Achseln: "Na ja... Auf die Schnelle konnte ich nun einmal auch nichts Anderes auftreiben und das ist doch immer noch besser als das rosafarbene Babydoll aus dem Versandhaus-Katalog, oder?"
Myjonda schaute ihre Untertanin und Freundin entrüstet an, ergab sich dann aber in ihr Schicksal. "Wuffi soll mir eben aus dem Schloss vernünftige Kleidung mitbringen", brummte sie. "In zwei Tagen ist ja schon die Gartenparty und bis dahin muss noch viel geregelt werden. Solange meine Wiedereinsetzung noch nicht öffentlich beglaubigt und Presse und Untertanen bekanntgegeben ist, kann ich mich im Schloss nicht blicken lassen! Auf der Gartenparty werde ich meine Untertanen über die Wiederaufnahme meiner Regentschaft informieren und wir werden das richtig feiern!"
Währenddessen stöberte Sonnensprösschen, die sich inzwischen mit einem Schluck Wasser und einem Düngestäbchen gestärkt hatte, in Indianerins Notbehelf, dem Klappzelt, herum. Schließlich hatte ihr Indi ja aufgetragen, sich ein Begrüßungsgeschenk für Myjonda zu überlegen.
In Indianerins Tipi entdeckte Sonnensprösschen die kuriosesten Sachen. Normalerweise, wenn die große Freundin zu Hause war, verbot sie den Blumen, an ihre Vorräte, Kräutermixturen und geheimnisvollen Cremes, Pillen, Räucherwerke und Salben in all den Tiegeln und Töpfchen zu gehen. Doch Sonnensprösschen war neugierig. Zunächst öffnete sie ein Töpfe, die offenbar Salben enthielten. Ein beißender Geruch stieg aus ihnen auf, so dass sie die Deckel schnell wieder auf die Behälter fallen ließ. Dann erspähte die Kleine ein paar zum Trocknen aufgehängte Sträuße aus Trockenblumen und Kräutern und ihr Blick verdunkelte sich. "Oooh", machte die kleine Pflanze traurig. Sie rollerte zu Indianerins Pilzsammlung hinüber. Die Kräuterfrau bewahrte eine ganze Reihe von getrockneten Pilzen in mit Deckeln verschlossenen Gläsern auf. Sonnensprösschen las: "Geweihförmige Holzkeule, Flockenstieliger Hexenröhrling, Satans-Röhrling, Fliegenpilz,..."
Das Blümchen schauderte. Es rollerte zurück in den Küchenbereich des Tipis. "Lieba Tee mitbringen für Klärchen", murmelte es, schnappte sich Indianerins Teedosen und begann, diese auf dem Tipi-Boden neben dem Lagerfeuer aufzureihen...
Neue Reizwörter:
Lutscher, tief ausatmen, Kristallkugel, Abschaum
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