Die Indianerin stand vor einem Affenbrotbaum. Den Weg zu dem imposanten Pflanzenkoloss hatte ihr Myjondas Obergärtner gewiesen, der vor einer königlichen Strafe noch einmal glücklich davongekommen war. Bedingung war allerdings gewesen, dass er die heilkundige Frau im weitläufigen königlichen Park herumführte, damit die Indianerin ein Mittel gegen Myjondas Völlegefühl finden konnte.
„Wenn Ihre Majestät nur nicht immer so über die Stränge schlagen würde“, dachte Indianerin mit leisem Zynismus, sprach ihren Gedanken aber nicht laut aus. Schließlich hatte sie keine Lust auf Sanktionen oder weitere Auseinandersetzungen.
Sie hatte den Obergärtner gefragt, ob zufällig auch ein Affenbrotbaum im Garten der Regentin gedieh und zu ihrer großen Überraschung hatte der Pflanzenfachmann genickt.
Und nun stand die Indianerin vor einem etwa 15 Meter hohen und bestimmt 6 Meter dicken Baum, der seine Äste in alle Richtungen zu strecken schien.
„Danke“, sagte die köngliche Freundin und hoffte, dass der Obergärtner ihren Wink verstand. „Sie können mir nun den Spaten geben. Ich komme jetzt allein zurecht.“ Sie wollte unbedingt allein sein, denn nun musste sie eine Zeitlang graben und wollte nicht, dass ihr dabei zu viele Fragen gestellt wurden.
Glücklicherweise hatte der Obergärtner problemlos verstanden und war nach einer Verbeugung schnell im Dickicht des Parks verschwunden. Die Indianerin betrachtete den Baum vor ihr noch einmal und begann, zu ihm zu sprechen: „Entschuldige, großer, herrschaftlicher Baum! Gewähre mir etwas von der Kraft deiner Wurzeln, denn eine Freundin von mir braucht deine Hilfe. Der Sud deiner Wurzeln vermag die Fettleibigkeit zu bekämpfen…“ In diesem Moment fuhr der Wind durch die Baumkrone, so dass es aussah, als würden einige Äste zustimmend nicken.
„Ich danke dir, großer Baobab“, sprach Indianerin und machte sich daran, den harten Boden mit dem mitgebrachten Spaten zu lockern.
Nach einer schweißtreibenden Dreiviertelstunde war die Heilkundige zu den ersten Wurzeln vorgedrungen, die für den Sud in Frage kamen. „Oh, starker Baobab!“ seufzte sie schweißgebadet. „Vergib mir, dass ich dich verletze!“ Die Blätter des Affenbrotbaumes raschelten und die Indianerin stieß mit dem Spaten zu…
Eine Stunde verging –dann erst hatte Myjondas Freundin die nötige Menge dicker Wurzeln aus der Erde gelöst und die Verletzungen des Baumes mithilfe von Blättern und Humus versorgt. Erhitzt und schweißnass machte sie sich mit ihrem unhandlichen Gepäck, dem Spaten und den schweren Wurzeln, auf den Rückweg.
Kurz, bevor sie an ihrem Ziel, dem trutzigen Schloss, angekommen war, traf sie auf die königliche Hoheit, die im Park lustwandelte. Für die Indianerin sah es allerdings vielmehr nach Lustwatscheln aus.
„Indi – waaas, du bist jetzt erst zurück?“ quietschte Myjonda mit hoher Stimme. „Nein, und wie du aussiehst und wie du stinkst!“ „Bin eben kein Uhrwerk. Es ist nicht alles planbar“, brummelte ihre Freundin und machte, dass sie rasch ins Schloss kam, bevor sie zu Myjonda etwas sagte, was wieder zu Unfrieden führen würde.
Nach einem entspannenden Bad, welches sie hatte von einer der Dienstmädchen Myjondas vorbereiten lassen, fühlte sich Indianerin schon viel besser.
Daher begann sie mit Eifer, den Sud für Ihre Majestät aufzusetzen. Die Wurzeln mussten eine Stunde lang kochen, dann war es soweit: Der Sud war fertig!
Heiß und braun schwappte er in der Schüssel hin und her, welche die Indianerin Myjonda bringen ließ. Auf ihren weichen Mokassins eilte die Indianerin der Dienstbotin nach und bemerkte auf einmal, wie Wuffi, KleineBlume und Sonnensprösschen an ihrer Seite erschienen.
„Was hast du für sie gemacht?“ wollte KleineBlume wissen. „Wurzelsud“, gab ihre indianische Freundin Auskunft. „Das ist zum Abnehmen, aber das weiß Myjonda nicht…“ KleineBlume kicherte und auch Wuffi stahl sich ein leichtes Grinsen ins Gesicht. „Dann sind wir mal gespannt!“ brummte er und hastete mit den anderen zu den persönlichen Gemächern der Königin.
In diesen betrachtete Myjonda skeptisch die braune Brühe, die ihr aus der Schale in ihren Händen entgegendampfte. „Und das soll gegen Völlegefühl helfen?“ fragte sie die Indianerin, die inzwischen mit den Blumen und Wuffi eingetroffen war. „Und warum ist hier eigentlich so eine Volksversammlung?“ Sie guckte etwas verärgert zu der kleinen Schar herüber, die sich vor ihrem Himmelbett aufgebaut hatte.
„Wir sind nur neugierig, ob’s wirkt!“ piepste KleineBlume und versuchte, auf- und abzuspringen, um einen Blick in die Schüssel werfen zu können. „Riecht ja nicht gerade…“ Indianerin gab KleineBlume von hinten einen leichten Stups, so dass sich diese ausbalancieren musste und nicht weitersprechen konnte. „Mensch!“ schimpfte diese, als sie sich wieder berappelt hatte, hielt dann aber inne, um Myjonda beim Trinken zuzuschauen.
Die Königin pustete auf die heiße Flüssigkeit und trank diese dann tapfer in kleinen Schlucken aus. „Und nun?“ fragte sie. „Wie lange muss ich warten, bis…?“ Irritiert blickte sie zu Boden. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie sich auflöste. „Indi, was passiert da… wogegen ist…?“ Unter Myjonda bildeten sich ölig glänzende Pfützen. KleineBlume hielt Sonnensprösschen vorsorglich die Blättchen vor die Augen, weil sie diese Szene doch an manche verbotenerweise geguckten Horrorfilme erinnerte. Wuffi schnupperte und verzog angewidert die Hundenase.
„Ähm, das ist gegen – gegen Fe... Fettleibigkeit!“ stotterte Indianerin und sah fassungslos zu, wie sich unter der königlichen Hoheit Fettpfützen ansammelten, die an herabfließendes Wachs einer vom Wind gebeutelten Kerze erinnerten.
KleineBlume fasste sich als Erste wieder, hatte aber andere Assoziationen: „Sieht aus wie Schnodder! Da hast du wieder was angestellt! Lasst uns abhauen…!“
(Post editiert am 24.06.2012 - 22:11) |