Tag der offenen Tür des Sportvereins, an einem verregneten Freitag. Tante Klärchen marschierte resolut und mit erhobenem Regenschirm durch die Schauern. Ihr Nachbar Heribert fungierte heute als Trikotwart für die örtliche Benefiz-Basketballmannschaft und Klärchen wollte sich zusammen mit ihm das Spiel ansehen.
Am Eingang der Sporthalle stürzte ihr Heribert entgegen: „Klärchen, Klärchen!“ Er schnappte nach Luft.
„Ruhig durchatmen, Heri!“ beruhigte ihn Klärchen und kontrollierte auf ihrer silbernen Damenarmbanduhr die Zeit. „Ich bin doch pünktlich!“ „Der Pokal, der Pokal“, japste Heribert. „Er ist weg!“ Klärchen blickte Heribert an: „Heri! Wie ist das denn passiert?“
Klärchen wusste, dass es einen wertvollen Pokal gab, den ein örtlicher Unternehmer gestiftet hatte. Der Pokal war erst heute Morgen in die Sporthalle gebracht worden, wie ihr Heribert beim Hineingehen in die Halle schilderte. Die Trophäe war seitdem in einem verschlossenen, aber nicht besonders gesicherten Raum aufbewahrt worden.
„Sehr leichtsinnig“, bemerkte Klärchen und rümpfte ein wenig undamenhaft die Nase, als sie an den Umkleidekabinen vorbeikam. „Hier riecht’s nach qualmenden Socken!“
Die beiden schritten weiter. Heribert wollte Klärchen zu dem Zimmer führen, in dem der Pokal aufbewahrt worden war. Vielleicht würde Klärchen bei der Besichtigung des Raumes etwas auffallen oder zumindest eine kluge Idee haben, wie man die Katastrophe doch noch zum Guten wenden könnte.
Auf ihrem Weg lief ein Putzmann an ihnen vorbei. „Guten Tag“, grüßte Klärchen freundlich und trat zur Seite, um den Mitarbeiter mit dem blauen Müllsack vorbeizulassen. „Tag“, murmelte die Reinigungskraft und drückte sich schnellen Schrittes an Heribert und Klärchen vorbei. Die beiden waren schon weitergegangen, als hinter ihnen ein Geräusch wie von an der Wand vorbeischleifendem Plastik, dann ein Stolpern und dann ein lautes „Plooong!“ ertönte.
Heribert, der ein wenig flotter auf den Beinen war als Klärchen, drehte sich herum und sah den Putzmann auf dem Boden liegen. Er lag halb auf dem blauen Müllbeutel, der offenbar aufgerissen war. „Ist Ihnen etwas passiert?“ Heribert eilte dem gestürzten Mitarbeiter entgegen.
„Ja, ja“, winkte dieser ab. „Der Müllbeutel ist kaputt, schlechte Schweißnaht – passiert öfter!“ Er versuchte sich aufzurappeln und griff gleichzeitig besitzergreifend nach dem aufgeplatzten Müllsack.
„Moment, junger Mann!“ Klärchen hatte aufgeholt und spähte misstrauisch nach dem Müllbeutel. „Da blinkt doch etwas! Das sieht aus wie der gestohlene Pokal!“ Der Gestrauchelte rappelte sich auf die Füße, griff nach dem blauen Sack und gab Fersengeld. Doch er hatte nicht mit Heribert gerechnet. Dieser schnappte sich kurzentschlossen Klärchens zusammengeklappten Regenschirm und warf diesen dem Flüchtenden mit Wucht zwischen die Beine. Der Delinquent ging erneut zu Boden. Heribert setzte sich auf den stöhnenden Mann und beauftragte seine gute, alte Freundin mit einem selbstbewussten Grinsen um die Mundwinkel: „Klärchen, hol Hilfe! Ich komme hier klar!“
„In Ordnung, Heri. Aber wo hast du diese Wurftechnik gelernt?“
„Ich hab mal bei einem Paketdienst gearbeitet, Packstation und so.“ grinste Heribert und wurde mit einem erstaunten Augenaufschlag Klärchens belohnt. „Heri, du wirst doch nicht die Pakete durch die Gegend…?“ fragte Klärchen verdutzt. Heri, der immer noch wie ein stolzer Krokodilbändiger auf dem Pokal-Dieb thronte, musste lachen: „Jetzt bist du mir voll auf den Leim gegangen, Klärchen! Natürlich habe ich keine Pakete herumgeworfen. Als ehemaliger Seemann und Tausendsassa hat mal halt so seine Erfahrungen.“ Heribert tat geheimnisvoll. „Aber nun hol erst mal Hilfe…“
Neue Reizwörter:
Plätzchen, Geschenkpapierrolle, Meditationsmusik, aufschauen (zu jemandem)
(Post editiert am 24.01.2012 - 20:36) |