Beschreibung | gut
Philip Roth schildert in seinem fiktiven autobiographischen Werk "Operation Shylock" ein Ereignis in einer Lebensphase, durch das er nach einem gerade erst überstandenen psychischen Zusammenbruch mit seinem Alter Ego konfrontiert wird. Dieser zweite Philip Roth lanciert in Jerusalem unter bewußter Ausnutzung des Bekanntheitsgrades des Schriftstellers Roth haarsträubende Thesen zum sogenannten "Diasporismus", dessen Ziel die Rückkehr der Juden aus Israel in die ursprünglichen europäischen Siedlungszentren ist. Der "echte" Philip Roth reist daraufhin nach Jerusalem und provoziert dort mehr oder minder bewußt ein Aufeinandertreffen mit seinem Doppelgänger.
Diese Handlung dient einerseits als Rahmen für Roth's Reflektionen über den Umgang des Staates Israel mit dem Holocaust und der eigenen Vergangenheit, für welche Roth den gleichzeitig stattfindenden Demjanjuk-Prozeß gleichsam als Spiegel verwendet.
Daneben nimmt ein zweiter Handlungsstrang wenigstens ebenso breiten Raum ein, der sich sehr kritisch mit der derzeitigen Politik Israels gegenüber seinen palästinensischen Nachbarn auseinandersetzt.
Philip Roth hat mit "Operation Shylock" ein unglaublich clever konstruiertes Werk mit mehreren Erzählebenen geschaffen. Der Kunstgriff einer "fiktiven Autobiographie" ermöglicht es Roth, einerseits autobiographische Erfahrungen und persönliche Überzeugungen unmittelbar zu verarbeiten, andererseits aber nicht den künstlerischen Einschränkungen, die eine reguläre Biographie mit sich bringt, zu unterliegen.
Im letzten Kapitel des Buches führt Roth diese Technik zur Perfektion, indem er die im Anhang des Buches getroffene Aussage, bei "Operation Shylock" handele es sich um eine Fiktion, relativiert und mit Notwendigkeiten begründet, die mit der eigentlichen Romanhandlung verknüpft sind.
Die Problematik des Gegensatzes zwischen künstlerischer Gestaltungsfreiheit und autobiographischer Arbeit wird von Roth auch in den Rahmenkapiteln seiner realen Autobiograhie "Tatsachen" aufgegriffen. Die Zweifel, die Roth dort als Schriftsteller an der Qualität seiner Autobiographie äußert, sind ja denn auch objektiv betrachtet nicht ganz von der Hand zu weisen. "Operation Shylock" ist mit Sicherheit das mit Abstand bessere Buch.
Fazit: Eines der stärksten Bücher von Philip Roth, das gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Lage im Nahen Osten eine lohnende Lektüre darstellt. Sehr empfehlenswert!
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