Beschreibung | gut
Ein fantastisches Buch, ein Krimi der ganz anderen Art, der im ersten Teil, immerhin 200 Seiten lang, keinen Hinweis darauf gibt, dass es sich tatsächlich um Kriminalliteratur handelt, aber das raffinierte ist, dass Teil 2 chronologisch an den Anfang gehört. Durch diesen kleinen Kunstgriff macht die Autorin das Buch interessant und bringt den Leser in eine verwirrende Ambivalenz zur Hauptperson.
Im ersten Teil macht man sich ein Bild von Justine, einer selbstständigen Frau, die in ihrer Kindheit zwar vom Vater vergöttert, aber von der Stiefmutter misshandelt wurde. Justine lebt, offenbar nach dem Ende einer tragischen Liebesgeschichte, allein. Dass die Stiefmutter nach einem Schlaganfall in einem Pflegeheim dahinvegetiert, befriedigt des Lesers Gerechtigkeitssinn. Gleichzeitig werden verschiedene andere Personen vorgestellt, z.B. die Lektorin Berit, der Nachtportier Hans Peter, die zunächst nichts mit Justine zu tun haben, deren Leben sich aber im Weiteren mit ihr verknüpft.
Dann folgt Teil 2, und das Bild von Justine wird auf den Kopf gestellt. Diesen Zwiespalt gegenüber der Hauptperson behält man bis zum Schluss. Ist sie eine arme gequälte Kreatur oder eine teuflische Rachegöttin? Die Autorin gibt keinen Hinweis, wobei sogar Justine selbst eine eigenartige Distanz zu ihren Handlungen hat.
Was soll man Justine am Ende wünschen? Dass Inspektor Hans Nästmann seinen einmal geäußerten Gedanken weiter verfolgt und hinter die Zusammenhänge blickt? Oder dass Justine - jetzt glücklicher - ohne Konsequenzen weiterlebt? Das Einzige, das man mit Bestimmtheit sagen kann: Armer Hans Peter.
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